Zum 1. Januar 2003 wurde die bedarfsorientierte „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ als eigenständige Sozialleistung auf der Grundlage des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) eingeführt. Für den berechtigten Personenkreis werden hierdurch in vielen, wenn auch nicht in allen Fällen Sozialhilfeleistungen ersetzt.
Ziel der Grundsicherung ist die Sicherstellung des grundlegenden Bedarfs für den Lebensunterhalt von Personen, die wegen Alters oder auf Grund voller Erwerbsminderung endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und deren Einkünfte oder Vermögen für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichen. Im Gegensatz zur Sozialhilfe erfolgt hier kein Rückgriff auf Kinder oder Eltern. Dadurch soll verhindert werden, dass sich vor allem ältere Leistungsberechtigte aus Angst vor einem Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder schämen, berechtigte Sozialhilfeansprüche geltend zu machen. Zudem besteht eine weitere Besonderheit der Grundsicherung darin, dass „einmalige Ansprüche“ beim Träger der Grundsicherung nicht im Wege der Einzelabfrage, sondern im Rahmen einer monatlich ausgezahlten Pauschale in Höhe von 15 % des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes abgedeckt werden.
Die Berechnung der Grundsicherungsleistung ist eng an das Sozialhilferecht angelehnt. Die Leistung dürfte jedoch regelmäßig höher sein als die Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Sicherung des „grundlegenden Bedarfs“ erfolgt bedarfsorientiert. Es erhält also nur derjenige Leistungen, dessen Einkommen und Vermögen seinen individuell zu bestimmenden grundlegenden Bedarf nicht abdecken kann.
Antragsberechtigter Personenkreis
Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, die:
- die Altersgrenze erreicht bzw. das 65. Lebensjahr vollendet haben oder
- das 18. Lebensjahr vollendet haben und – unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage – aus medizinischen Gründen dauerhaft voll erwerbsgemindert sind,
können Grundsicherungsleistungen beantragen.
Gewöhnlicher Aufenthalt
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand nach §9 der AO dort, wo er sich unter Umständen aufhält und erkennen lässt, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Es kommt allein darauf an, wo sich unter Berücksichtung des Willens des Betroffenen und der bisherigen tatsächlichen Verweildauer der regelmäßige Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse befindet. Es kommt nicht darauf an, dass der Antragsteller dort auch eine Wohnung unterhält. Es müssen jedoch Tatsachen erkennbar sein, die eine Prognose zulassen, dass sich auch zukünftig der Lebensmittelpunkt an diesem Ort befindet. Absatz 2 des des §9 besagt, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen ist. Kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.
Volle Erwerbsminderung unabhängig von der Arbeitsmarktlage
Voll erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Darüber hinaus sind auch in einer Werkstatt für Behinderte oder einer anderen beschützenden Einrichtung tätige behinderte Menschen voll erwerbsgemindert. Wo hingegen Menschen mit Behinderungen, die das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich einer WfbM durchlaufen haben, als nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert gelten. Das liegt daran, dass dieser Bereich einer WfbM als ergebnisoffener Prozess angelegt ist. Einzige Ausnahme davon ist, dass eine entsprechende Feststellung des Trägers der Rentenversicherung schon bei Eintritt in das Eingangsverfahren einer WfbM vorliegt.
Die volle Erwerbsminderung muss dauerhaft bestehen, d.h. es muss unwahrscheinlich sein, dass sie behoben werden kann. Damit scheiden aus dem antragsberechtigten Personenkreis die Bezieher einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung aus. Der tatsächliche Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist für die Grundsicherungsleistung nicht erforderlich. Die Grundsicherungsämter entscheiden in diesen Fällen, ob eine volle Erwerbsminderung vorliegt. Sie können mit dieser Prüfung auch den zuständigen Rentenversicherungsträger beauftragen.
Anspruch auf Grundsicherungsleistungen
Die Leistung zur Grundsicherung ist abhängig von der Bedürftigkeit des Betroffenen. Eine Leistung wird nur gewährt, soweit er selbst nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Bei der Prüfung wird neben dem Einkommen oder Vermögen des Anspruchsberechtigten nur noch das Einkommen oder Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten bzw. des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft berücksichtigt. Bei dem Einkommen oder Vermögen des Ehegatten bzw. Partners wird nur der Teil in die Berechnung einbezogen, der über seinem eigenen Bedarf zum Lebensunterhalt zur Verfügung steht
Einkommen oder Vermögen von Verwandten bzw. Verschwägerten, die mit dem Anspruchsberechtigten in einem Haushalt leben, werden – anders als im Sozialhilferecht – bei der Anspruchsprüfung nicht berücksichtigt. Gleiches gilt auch für Einkommen oder Vermögen von Partnern einer eingetragenen Lebensgemeinschaft. Hier ist das durch den Bundestag beschlossene Partnerschaftsergänzungsgesetz, das eine derartige Regelung vorsah, durch die nicht erfolgte Zustimmung des Bundesrats bislang nicht in Kraft getreten.
Unterhaltsansprüche der Anspruchsberechtigten gegenüber ihren Kindern oder Eltern wirken sich erst dann aus, wenn das jährliche Einkommen eines Unterhaltspflichtigen mindestens 100.000 EUR beträgt.
Lebensunterhalt
Die Begriffsbestimmung des Wortes „Lebensunterhalt“ erfolgt in § 27 Abs. 1 SGB XII: „Die Hilfe zum Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Die persönlichen Bedürfnisse umfassen auch in vertretbarem Maße die Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben.
Bei Kindern und Jugendlichen umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch den besonderen, insbesondere den durch ihre Entwicklung und ihr Heranwachsen bedingten Bedarf.“
Höhe der Grundsicherungsleistung
Um den Bedarf zum Lebensunterhalt zu decken, setzt sich die Grundsicherung aus mehreren Bestandteilen zusammen. Die Höhe des Bedarfs richtet sich nach
- dem für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt, nach dem Bundessozialhilfegesetz,
- einem gegebenenfalls erforderlichen Mehrbedarf (z. B. für schwerbehinderte Menschen oder schwangere Frauen) sowie die einmaligen Bedarfe entsprechend (z. B. eine Erstausstattung für die Wohnung),
- angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung,
- den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, sofern keine Pflichtversicherung besteht und
- der Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen (z. B. Übernahme von Schulden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist).
Schwerbehinderte Menschen, deren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen G enthält, bekommen einen Mehrbedarf von 17% des maßgebenden Regelsatzes anerkannt.
Ein Pauschalbetrag zur Abgeltung einmaliger Leistungen bildet einen wesentlichen Unterschied zum Sozialhilferecht. Hierfür kommen einmalige Leistungen für diejenigen Bedarfsgegenstände in Betracht, bei denen die Anschaffung – gemessen in größeren Zeitabständen – nur einmalig ist (z. B. Waschmaschine, Wintermantel, Fernseher). Derartige Bedarfsgegenstände sind jeweils beim Sozialamt zu beantragen und werden nur dann als sozialrechtlicher Bedarf anerkannt, wenn sie benötigt werden, um ein Leben in Menschenwürde zu führen.
Im Gegensatz dazu wird bei der Grundsicherung der Pauschalbetrag hinzugerechnet. Davon abgesehen, dass diese Regelung für die Betroffenen in der Regel günstiger ist, können sie auch auf größere Anschaffungen hinsparen und müssen sich nicht als Bittsteller beim Sozialamt fühlen.
Einkommen und Vermögen
Das GSiG verweist hinsichtlich des Einsatzes von Einkommen und Vermögen auf das Bundessozialhilfegesetz und die dazu erlassenen Rechtsverordnungen.
Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist relativ einfach:
Einkommen sind Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die dem Betroffenen im Bewilligungszeitraum zufließen. Vermögen sind Einkünfte in Geld und Geldeswert, die zum Beginn der Grundsicherungsleistung bereits vorhanden waren. Einkommen und Vermögen sind nicht in jedem Fall und in jeder Höhe anrechenbar, sondern nur nach der Maßgabe der §§ 82 bis 92 SGB XII.
Zum Einkommen gehören z. B.: |
Zum Einkommen gehören z. B. nicht: |
Erwerbseinkommen, Kindergeld, Renten, Pensionen, Nebenverdienste, Wohngeld, Arbeitslosengeld I, Betreuungsgeld, Krankengeld, Kindergeld, Elterngeld, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Zinsen und Kapitaleinkünfte und Steuererstattungen | Sozialhilfeleistungen, Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und sonstige Leistungen für Schaden an Leben, Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der Grundrente, Erziehungsgeld, Zuschüsse zu Sozialversicherungsbeiträgen und Leistungen aus der sozialen oder privaten Pflegeversicherung |
Zum Vermögen gehören beispielsweise:
- Bargeld
- Aktien
- Bankguthaben
- Bausparverträge
- Schenkungen innerhalb der vergangenen 10 Jahre
- Lebensversicherungen
- Immobilien
- Schmuck
- Kraftfahrzeuge
Geld oder Sachvermögen ist nur dann auf den ermittelten Bedarf anzurechnen, wenn es verwertbar ist. § 90 Abs. 2 SGB XII führt eine Reihe von Vermögenswerten auf, die hiervon ausgenommen sind. Hierzu gehören z. B.
- ein angemessener Hausrat
- kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen
- für die Altersvorsorge bestimmte Vermögensgegenstände, wenn Sie oder Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind
Unterhaltsansprüche
Auf eine im Sozialhilferecht vorgesehene Rückgriffsmöglichkeit gegen, nach dem bürgerlichen Recht, Unterhaltspflichtige wurde bei der Grundsicherung verzichtet.
Dadurch soll den Anspruchsberechtigten die Angst genommen werden, dass sie Sozialleistungen erhalten, die im Nachhinein z. B. durch ihre Kinder ersetzt werden müssen.
Ein Unterhaltsanspruch stellt einsetzbares Vermögen dar. Wird tatsächlich eine Unterhaltszahlung geleistet, handelt es sich hierbei um Einkommen des Berechtigten, das seine Grundsicherungsleistung mindert.
Besteht der Unterhaltsanspruch gegenüber Kindern oder Eltern, findet eine Anrechnung jedoch nicht statt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen unter einem Betrag von jährlich 100.000 EUR liegt. Bei mehreren Kindern gilt der Grenzwert für jedes einzelne Kind, bei den Eltern für beide Elternteile zusammen. Solange das Grundsicherungsamt keine anderslautenden Anhaltspunkte auf die Vermögensverhältnisse der Kinder oder Eltern hat, wird vermutet, dass dieser Grenzwert nicht überschritten wird. Wird diese Vermutung widerlegt, entfällt der Anspruch auf Grundsicherungsleistung.
Der Leistungsberechtigte ist somit über allgemein gehaltene Angaben hinaus nicht verpflichtet, dem Grundsicherungsträger umfassende Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der unterhaltspflichtigen Kinder und Eltern zu offenbaren.
Der in § 43 Abs. 3 Satz 4 SGB XII normierte Auskunftsanspruch des Grundsicherungsträgers gegen die unterhaltspflichtigen Eltern und Kinder richtet sich in persönlicher Hinsicht nur gegen diejenigen Unterhaltspflichtigen, für deren Person der Grundsicherungsträger bereits hinreichende Anhaltspunkte für den Grenzbetrag von 100.000 € erreichtes Einkommen darlegen kann.
Ausschlussgründe
Keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben
- Personen, wenn das Einkommen der Eltern oder Kinder jährlich einen Betrag von 100.000 EUR übersteigt
- ausländische Staatsangehörige, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sowie
- Personen, die in den letzten zehn Jahren ihre Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben.
Antrag und Bewilligungszeitraum
Für die Antragstellung gelten die allgemeinen Grundsätze des § 16 SGB I. Der Antrag ist beim zuständigen Grundsicherungsamt zu stellen. Dieser wird aber auch von allen anderen zur Annahme von Sozialleistungsanträgen berechtigten Stellen entgegengenommen.
Die Rentenversicherungsträger sind neben der Antragsannahme sogar verpflichtet, über die Leistungsvoraussetzungen und Verfahren zur Grundsicherung zu informieren und zu beraten. Die Grundsicherungsleistung beginnt ab dem Ersten des Antragsmonats. Änderungen zu Gunsten des Berechtigten, die zu einer höheren Leistung führen, wirken sich zum Ersten des Monats aus, in dem die Änderung eingetreten bzw. in dem – bei verspäteter Mitteilung an das Grundsicherungsamt – die Änderung angezeigt wurde.
Änderungen zu Ungunsten des Berechtigten wirken sich ab dem Ersten des auf die Änderung folgenden Monats aus. § 44 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bildet hier eine Sonderregelung zu § 48 SGB X.
Grundsicherungsleistungen werden in der Regel für zwölf Kalendermonate bewilligt. Dadurch wird gewährleistet, dass die Anspruchsvoraussetzungen in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Die Auszahlung erfolgt monatlich.
Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten
Für Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten der bedarfsorientierten Grundsicherung sind die Sozialgerichte zuständig.